Salier-Gymnasium Waiblingen
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Chorfahrt nach Lausanne (19.-21.03.10)

In Lausanne fand eine Kulmination monatelangen, intensiven Probens statt: Die Aufführung von Antonin Dvořáks “Stabat Mater”, Opus 58, Vertonung des gleichnamigen lateinischen Gedichts aus dem 13. Jahrhundert, welches die Trauer Mariä über Jesu Kreuzigung zum Inhalt hat. Der Chor des Salier-Gymnasiums und der Elternchor unter Frau Schwoerers Leitung, der Chœur des Gymnases Lausannois, angeführt von Dirigent und Chorleiter Olivier Piguet, das Orchestre du Collège et des Jeunesses Musicales de Saint-Maurice sowie vier professionelle Gesangssolisten aller Stimmlagen bildeten eine etwa dreihundertstarke, ganz in Schwarz gekleidete Einheit und präsentierten zwei Aufführungen des anderthalbstündigen Kantat-Meisterwerks aus der Hochromantik. Verstärkung erhielt der Chor ferner durch die gesamte Musiklehrer-Fachschaft des Salier-Gymnasiums (!); die Auftritte fanden so mit maximal möglicher Besetzung statt. Selbstverständlich setzte sich ein Projekt dieser Größenordnung aus vielen kleinen Schritten zusammen, beginnend in dem bisweilen langwierigen Proben einzelner Phrasen der Kantate, wodurch sich erst in langen Proben an ein paar Wochenenden die Gesamtgestalt der Stücke herauskristallisiert hatte – geschickterweise hatte Frau Schwoerer uns Chorsänger zum Abschluss der Proben einzelne der zehn Teile am Stück singen lassen, sodass wir die Resultate unseres Übens erkennen konnten.

            Doch erst die Generalproben und eigentlichen Konzerte waren Aufführungen in voller Montur; zuvor war ohne Orchester und Solisten geprobt worden. Statt einer Klavierbegleitung hörten wir nun ein gesamtes Sinfonieorchester samt dem Klangfarbenreichtum des Werks sowie das Wechselspiel von Solisten und Chor – eine Entwicklung in kleinen Schritten, ein Großwerk, das sich fast wie von selbst zusammenzufügen schien und die Summe seiner Einzelteile um einiges übertraf; für die Beteiligten ein musikalisches Aha-Erlebnis, in seiner Wirkungskraft der Lebensfreude des Ereignisses in nichts nachstehend. So entfalteten die dynamische Differenzierung sowie der harmonische Reichtum des Werks erst im Konzert ihre volle Wirkung. Der Konzertablauf war klassiktypisch strikt formell – alles von den Tailcoats der Solisten und Dirigenten, über die einheitlich schwarze Kleidung, den Gruß von Dirigent und Konzertmeister, der strengen Stille zwischen den Stücken (begleitet von wahrhaften Hust-Orgien in den kurzen Spielpausen), der kurzen Stille am Ende eines Stücks – in denen die aufrechterhaltene Spannung die Wirkung der Schlussakkorde unterstrich – bis hin zum donnernden Applaus nach der abschließenden “Amen”-Fuge drückte eine fast protokollarische Strenge aus, eine zur Musikgattung passende Ernsthaftigkeit. Natürlich abgesehen von den vom Chor ausgehenden “Aja!”- und “Piguet!”-Rufen als Akklamation der fast allseits beliebten Chor-Chefs, die sich bei ihren jeweiligen Chören längst als Respektspersonen etabliert haben; ein Überschwang dieser Art wäre in einer Kathedrale um 1875, der Entstehungszeit des Werks, niemals durchgegangen. Bemerkenswert ebenfalls die durchdachte Anordnung der Musiker, mit den Solisten vorne, am nächsten zum Publikum, sodass erst beim Anhören der von den Konzerten gemachten Mitschnitte klar wurde, wie sich die Solisten gegenüber einem zweihundertköpfigen Musikerkollektiv überhaupt durchsetzen konnten. Die Anwesenden – die Lausanner Eglise St. Francois sowie die Basilika von Saint-Maurice, zwei gotische Kathedralen mit zugespitzten Fenster- und Deckenwölbungen und einer Akustik, die dem Klang den  letzten Glanz verlieh, waren brechend voll – reflektierten unsere Begeisterung.

            Es war die lange, fast siebenstündige Reise mit anschließender Generalprobe bis spät abends mehr als wert gewesen. Nach dem letzten gemeinschaftlichen Abendessen mit opulentem (!) Nachtischbüffet begaben wir uns am Sonntagabend nach dem Abschied von unseren Gastgebern in unsere Busse auf die Heimreise. Es währte noch lange gemeinschaftliche Heiterkeit, die einer späten, aber heftigen Müdigkeit wich, sodass fast alle schliefen, so gut es ging, bis wir spät nachts erschöpft, aber glücklich daheim eintrafen.

 

(Henry Hardt)

Die ungekürzte Fassung dieses Berichts steht im Salier-Jahrbuch 2009/10.